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Wer Was Wo Wie gründe ich einen Tauschring

von Helfried Lohmann
letzte Änderung: 7.09.2006

Es folgt eine Zusammenstellung der organisatorischen Überlegungen, die ich in einer kleinen Vorbereitungsgruppe abstimmen würde, bevor zu einer öffentlichen Gründungsversammlung in der Zeitung aufgerufen wird.

Welchen Schwerpunkt soll der Tauschring bekommen?

Das Spektrum der Tauschsysteme reicht von kommerziellen Barter-Clubs über Senioren-Genossenschafte bis zu rein sozialen Nachbarschaftskreisen ohne Verrechnungseinheiten. Die meißten Tauschringe tauschen Dienstleistungen und in geringerem Umfang auch Waren im privaten Rahmen, ergänzend zur Euro-Ökonomie.
Aus der Antwort auf diese Frage folgen viele weitere Antworten, von den Spielregelen bis zur Zielgruppe beim Aufruf zur Gründungsversammlung?

Wieviel Demokratie braucht es im Tauschring?

Ein wichtiger Punkt der Identifikation ist die möglichkeit der Mitbestimmung. Tauschringe sind selbstorganisierte soziale Projekte mit basisdemokratischen Strukturen bis hin zu Dienstleistungsbetrieben oder irgendwo dazwischen?
Die Antwort auf diese Frage bestimmt sehr stark die effektive Arbeitsfähigkeit und die Regenerationsfähigkeit (neue Mitarbeiter über viele Jahre).

Welche Rechtsform soll der Tauschring haben?

Viele gut funktionierende und alt eingesessene Tauschkreise sind schlichte BGB-Gesellschaften mit einem Organisationsteam als Geschäftsleitung. Andere Tauschringe sind nicht eingetragene oder eingetragene Vereine. Ich kann im Vergleich der Mitgliederentwicklung und Tauschaktivität vieler Tauschringe keine Tendenz erkennen, ob die Gesellschaften, oder die Vereine besser funktionieren. (siehe Bundes-Adressliste).
Die Antwort auf diese Frage hat Auswirkung auf die öffentliche Anerkennung und die Haftung der Organisierenden.

Welche Verechnungseinheit soll der Tauschring haben?

Die meisten tauschringe in Deutschland haben mehr oder minder flexible Zeitwährungen. Viele haben 20 Talente = 1 Stunde in Anlehnung an die frühere DM. Einige haben starre Regelungen, die keine individuellen Abweichungen erlauben, andere haben keine Vorgaben, wie die Talente zu bewerten sind.
Die Antwort auf diese Frage beeinflusst die Teilnahme gewerblicher Tauschpartner.

Wollen wir gewerbliche Teilnehmer?

Gewerbliche Teilnehmer bereichern die Angebote im Tauschring erheblich. Auf der anderen Seite steht gewerbliche Kalkulation dem Zeittausch entgegen und ist nicht leicht vereinbar mit rein sozial motivierter Nachbarschaftshilfe. Es gab mal die Empfehlung, dass Gewerbetreibende als Tauschring-Idealisten gern gesehen sind. Pragmatisch zeigt sich, daß die Bezahlung der gewerblichen Material- und Fixkosten in Euro und die Arbeitszeit in Talenten zu empfehlen ist. (z.B. 15 Euro pro Stunde für die Werkstatt oder Praxis + 20 Talente für die Arbeit des Heilpraktikers oder Handwerkers)

Wie viel Beiträge sollen die Teilnehmer bringen?

Für die organisation fallen mehr oder minder viele Kosten und Arbeiten an. Je nachdem, ob ein eigenes Büro angemietet wird, oder zu Hause gearbeitet wird. Manchmal werden die Büro-Kosten von privaten Förderern oder anderen Trägern übernommen. Die Organisationsarbeit wird meist ehrenamtlich, teilweise gegen Talente und selten durch bezahlte (ABM-) Arbeitskräfte aus sozialen Institutionen die Organisationsarbeit geleistet. Tauschringe mit bezahlten ABM-Stellen überleben den Wegfall der Arbeitsstelle oft nicht.

Wie soll mit Persönlichen Daten umgegangen werden?

Tauschringe sind keine Bank und so etwas wie das klassische Bankgeheimnis widerspricht dem sozialen Anspruch der Tauschringe. Auf jeden fall sollen die Adressen und Daten vor Fremden geschützt sein und nicht weiter gegeben werden. Die Vornamen und Kontonummern können können in der Marktzeitung veröffentlicht werden. Die Kontostände sind in den meisten Tauschringen transparent (stehen z.B. auf der Adressliste). Die Umsätze und Zahl der Transaktionen sind auch ganz wichtige Hinweise für andere Tauschring-Teilnehmer. Wer mit wem was getaucht hat, muss nicht unbedingt für jeden im Tauschring interessant sein, und wie mit Beschwerden über die Zuverlässigkeit einzelner Teilnehmer umzugehen ist, sollte im Einzelfall geklärt werden.

Soll es eine feste öffentliche Adresse geben?

Eine feste, öffentlich zugängliche Büroadresse senkt die Schwelle zum Eintritt und kostet meist Geld. Treffen in privaten Räumen sind einfacher und billiger zu haben und fördern eine persönliche Athmosphäre. Viele Beitrittswille lesen etwas in der Zeitung und suchen dann im Ort (z.B. im Telefonbuch), ob es einen Tauschring gibt. Anrufe bei Privat fallen schwerer und machen einen Wechsel der Verantwortlichen im Tauschring schwerer.

Was braucht es noch?
Checkliste
:

  • Name des Tauschring
  • Name der Währungseinheit
  • Logo
  • Orga-Team / Vorstand
  • Satzung oder Gesellschaftsvertrag (Organisationsstruktur)
  • Teilnahmeregeln (wie wird getauscht)
  • Finanzkalkulation in Euro und Talenten für die ersten Jahre
  • Adresse für Post u.a.
  • Treffpunkt für Marktversammlungen
  • Werbe-Flyer mit
  • Anmeldeformular
  • Tauschring-Software zur Verwaltung
  • Telefonanschluss und Telefonbucheintrag
  • Bank-Konto / Kasse
  • Fax-Anschluss
  • Anrufbeantworter
  • eMail-Adresse
  • Web-Space (Falls eine Homepage geplant ist)
  • Tausch-Foumulare (Talente-Scheck)
  • Rahmenentwurf der Marktzeitung, so daß die Anzeigendaten aus der Verwaltungssoftware einfach eingefügt werden.
  • Kopiermöglichkeit (Kopierer oder großer PC-Drucker)
  • ToDo-Liste, wie die einzelnen Arbeitsschritte im Büro ablaufen sollen (z.B. bei Eintritt oder was wird bei Informationsanforderung verschickt, ...)
  • Presseverteiler und Presseinformation
  • Anmeldung des neuen Tauschring bei der Bundesadressliste (siehe www.tauschringe.org)
  • Kontakte zu wichtigen örtlichen Einrichtungen (z.B. dem Agenda-Büro, ...)

Rechtsformen

Form

Vorteile

Nachteile

BGB-Gesellschaft

ohne Gesellschafts-Vertrag

  • Einfache Organisation
  • Nach BGB gilt Konsensbeschlussfassung
  • Persönliche Haftung der Organisatoren
  • evtl. gesamtschuldnerische Haftung aller Mitglieder

BGB-Gesellschaft

mit Gesellschafts-Vertrag z.B. die "Teilnahmeregeln" des Tauschring.

  • Einfache Organisation,
  • keine Hierarchien notwendig.
  • Persönliche Haftung der Organisatoren
  • Steuererklärung muss immer für alle gemacht werden.

Verein (nicht eingetragen)

Satzung und Praxis muss
dem deutschen Vereinsrecht
entsprechen.

  • Kein Ärger mit Registergericht
  • keine Kosten bei Eintragung.
  • Haftung auf das Vereinsvermögen beschränkt (wie bei e.V.)
  • Vorstände nicht persönlich haftend (soweit sich an Satzung und Protokolle gehalten wird)
  • keine juristische Handlungsfähigkeit
  • kein Telefonbucheintrag,
  • steuerlich wie Wirtschaftsverein (d.h. Körperschaftssteuer, die ist aber einfach wegen Geringfügigkeit)

Eingetragener Verein (e.V.)

Satzung muss dem deuschen Vereinsrecht entsprechen, mit Vorstand usw.

Es sollte kein "Wirtschaftsverein" sein.

  • Juristische Person,
  • eigener Telefoneintrag möglich
  • Haftung auf Vereinsvermögen beschränkt
  • kann die öffentliche Fördergelder beantragen.
  • Viel Formalität, Eintragung kostet Geld, nützt wenig.
  • Die Finanzämter erkennen inzwischen keine Tauschringe mehr als gemeinnützig an.

Dienstleistungsfirma

Handelsgesellschaft oder andere wirtschaftliche Rechtsform

  • Gute Handlungsfähigkeit
  • Kann evtl. Wirtschaftsförderung in Anspruch nehmen.
  • Wenig soziale Anerkennung
  • Wenig Bereitschaft
    zu ehrenamtlicher Mitarbeit.

Tauschbasis

Form

Vorteile

Nachteile

Zeitwährung
Fix oder verhandelbar

  • Entspricht mehr dem Nachbarschafts-Hilfegedanken.
  • Abwertung der Leistungen gegenüber Ämtern möglich
  • Weg vom Geld-Denken
  • Kopatibilität mit ca. 70% der anderen Tauschringe
  • Schwierig für gewerbliche Teilnehmer abzurechnen
  • Schwierig bei Sach-Tausch

Geldequivalent
1 Talent = 1 Euro

  • Einfacher für gewerbliche Teilnehmer.
  • Kompatibel mit angelsächsischen LETS-Systemen.
  • Sozial schwierig
  • Inkompatibel mit den meisten Tauschringe in Deutschland.

 

Beiträge

Form

Vorteile

Nachteile

Beitrittsgebühr

  • Liquidität
  • höhere Hemmschwelle zum Eintritt

Euro-Jahresbeitrag

  • notwendig für Telefon, Porto, Büromaterial, erstellung der Marktzeitung
  • schwierig einzutreiben

Feste
Talent-Beiträge

  • Solide Vergütung der Büroarbeit möglich
  • Passive Fördermitglieder bekommen ein Talent-Minus obwohl sie nichts tun und den TR durch ihren Euro-Beitrag unterstützen.

Umsatzabhängige
Talent-Beiträge

  • Lasten werden am meisten durch die aktiven Teilnehmer getragen.
  • Die kleinen Umsätze, die viel Arbeit machen zahlen wenig, die großen Umsätze zahlen viel.

Guthabenabhängige
Talent-Beiträge

  • Lasten werden am meisten von den leistungsfähigen Teilnehmern getragen
  • Die Leistungsfähigen fühlen sich benachteiligt (tauschen aber trotzdem weiter)

Arbeitsbeteiligung bei der Organisationsarbeit

  • Sozialer Kontakt
  • hohe Belastung für die Organisatoren

Beispiel einer Finanz-Kalkulation vor der Gründung (hier vom Fläming-Tauschkreis Flamingo)

Viele Nützliche Hinweise finden sich auch im Handbuch der Tauschsysteme vom Tauschring-Archiv